Systematik

Die Verwandtschaftsverhältnisse der Passionsblumen



Die Systematik ist ein Fachgebiet der Biologie, das Lebewesen systematisch einordnet und benennt. Sie erstellt somit einen "Stammbaum" aller Lebewesen, der die Verwandtschaft derer darstellt.
Lebewesen werden nach der Systematik verschiedenen Einteilungen zugeordnet. Die größte Einteilung ist die der Reiche. Also das Reich der Tiere, das Reich der Pflanzen, das der Pilze usw. Diese Reiche bestehen aus Stämmen, diese wiederum aus Klassen, diese aus Ordnungen und die Ordnungen setzen sich aus Familien zusammen.
Die Familien werden weiter in Gattungen aufgeteilt. Die Passionsblumen bilden eine eigene Gattung namens Passiflora. Der Name der Gattung stellt auch immer den ersten Namen des Artennamens dar. Deshalb heißen alle Passionsblumen auf Latein "Passiflora ...".

Die Gattung Passiflora gehört zu der Familie der Passionsblumengewächse (Passifloraceae) zu der u.a. auch die Gattung Adenia gehört.

Die Gattung Passiflora kann aber noch weiter aufgeteilt werden. Das ist besonders für die Hybridisierung wichtig, da die Faustregel gilt "Je verwandter, desto kompatibler". Die neuste Klassifikation nach Christian Feuillet und John M. MacDougal teilt die Passionsblumen in vier Untergattungen (lat. subgenus) ein. Nämlich in die Untergattungen Passiflora, Astrophea, Deidamioides und Decaloba.


Die Untergattung Passiflora ist wohl die bekannteste, da sie wohl die zahlreich am stärksten vertretene Untergattung in der Kultur ist. Die meisten Passionsblumenarten gehören zu dieser Untergattung; über 240 Arten (Stand 2003). Berühmte Vertreter sind Passiflora caerulea (P. caerulea, der Gattungsname wird abgekürzt, wenn klar ist, worüber gesprochen wird) und P. edulis sowie Hybriden wie P. x violaceae und P. 'Marijke'. Die Pflanzen dieser Untergattung zeichnen sich meistens durch große Blüten mit großen Strahlenkränzen aus. Passiflora 'Grandioso' hat - wohlmöglich als Rekordhalter - Blüten von bis zu 19cm Durchmesser. Alle Pflanzen dieser Untergattung sind Kletterpflanzen.

Untergattungen werden weiter in Supersektionen (lat. supersection), die in Sektionen (lat. section) aufgegliedert werden, aufgeteilt.
Ich werde auf ausgewählte Supersektionen und Sektionen eingehen, empfehle für mehr Informationen das Papier von Christian Feuillet und John M. MacDougal, sowie den Link am Ende des Beitrags und die dort gefundene Darstellung.

Supersektionen der Untergattung Passiflora wären z.B. die Tacsonien (lat. Tacsonia), die supersect. Passiflora, Laurifolia, Stipulata und Coccinea.


  • Die Supersektion Tacsonia besteht aus Pflanzen mit langen Blütenröhren, meist großen Blüten mit kleinen bis fehlenden Strahlenkränzen. Sie werden oft von Fledermäusen und Vögeln bestäubt. P. parritae, P. tarminiana, P. insignis und P. manicata gehören dazu.


  • Die Supersektion Passiflora beinhaltet P. setaceae und P. pedata.


  • Die Supersektion Laurifolia beinhaltet meist stark wachsende Arten mit großen und imposanten Blüten, die große und oft essbare Früchte hervorbringen. Kandidaten dieser Supersektion, sind P. quadrangularis, P. laurifolia, P. alata und P. x decaisneana. Die vielen bekannte süße Granadilla ist die Frucht der P. ligularis, die auch zu dieser Supersektion zählt.


  • Zur Supersektion Coccinea gehört - wie der Name anmuten lässt - die Passiflora coccinea. Obwohl viele Pflanzen im Handel unter diesen Namen verkauft werden, sind die Pflanzen oft nur P. miniata oder P. 'Scarlet Flame', die beide auch zu dieser Supersektion, die aus vielen dieser roten und meist wärmeliebenden Pflanzen besteht, gehören.
  • Die Supersektion Stipulata zählt Pflanzen wie P. garckei, P. caerulea und P. princeps (ehemalig P. racemosa) zu sich.


  • Die Sektion Tacsonioides mit P. reflexiflora, P. edmundoi, P. umbilicata und anderen gehört zu der supersec. Stipulata und zeichnet sich mit Arten, die den Tacsonien mit längeren Blütenröhren und knalligen Farben ähneln, aus.


  • Auch die Sektion Dysosmia gehört zur supesec. Stipulata. Die P. foetida und viele ähnliche Arten gehören zu dieser Sektion. (Viele unter den Namen 'P. foetida' verkaufte Passionsblumen könnten mittlerweile eigene Arten sein. Diese Sektion unterzieht sich letzter Zeit vieler Änderungen.


Die zweit größte Untergattung mit über 215 beschriebenen Arten (Stand 2003) ist der Subgenus Decaloba. Diese Untergattung zeichnet sich mit - im Vergleich zur Untergattung Passiflora - kleineren Blüten aus; nicht größer als 5cm im Durchmesser. Die Strahlenkränze aber sind im Verhältnis zur Blütengröße gleichgroß. Manche Arten dieser Untergattung haben behaarte Blätter und Triebe und die meisten Decaloba zeichnen sich durch skurrile Blattformen und manchmal auch besonderen Blattzeichnungen aus.

Supersektionen der Untergattung Decaloba wären z.B. Cieca, Bryonioides und supersec. Decaloba.

  • Die Supersektion Cieca beinhaltet Arten mit meist wirklich kleinen Blüten, die oft unscheinbar sind und unbemerkt bleiben können, da sie grün sind. Passiflora pallida und P. suberosa, die mit ihren schwarzen, aber nicht essbaren Früchten beeindrucken, zählen dazu.
  • Die Supersektion Bryonioides beinhaltet die gleichnamige Art P. bryonioides mit essbaren Früchten, aber auch die viel bekanntere P. morifolia sowie P. karwinskii. Sie haben weiße Blüten und für Arten aus der Untergattung Decaloba große Früchte. Die Früchte der P. morifolia sind durch ihre Farbe ein Hingucker.
  • Die Supersektion Decaloba besteht aus den Sektionen Decaloba und Xerogona.
  • Die Sektion Decaloba hat für die Untergattung Decaloba realativ große Blüten. Vertreter dieser Sektion sind P. pardifolia als auch P. biflora.
  • Die Sektion Xerogona ist eine etwas bekanntere Sektion mit ihren oft in Kultur gesehenen Arten P. citrina, P. capsularis, P.sanguinolenta und deren Hybriden wie P. 'Adularia' und P. 'Sancap'. Viele haben einen besonderen Blütenaufbau (siehe P. citrina). Die Blütenblätter sind zur Blütenbasis hin zusammengewachsen und bilden somit eine Art Röhre. Besonders P. capsularis bildet eine kaspelähnliche Frucht, die bei Reife aufplatzt, aber wie bei jeder Passionsblume eine Beere ist. Diese besondere Frucht verleihte ihr ihren Namen. Besonders anzumerken ist, dass Hybriden mit der Sektion Xerogona nur in der Sektion Xerogona möglich sind. Es ist keine einzige Hybride bekannt, die einen Elternteil aus der Sektion Xerogona hat und ein anderes Elternteil aus einer anderen Sektion/Supersektion der Untergattung Decaloba.


Die kleinste Untergattung mit 11 Arten (Stand 2003) ist die Untergattung Deidamioides. Diese Untergattung beinhaltet viele ausgefallene Arten, wie die zweihäusige (d.h. es gibt männliche und weibliche Pflanzen mit Blüten des einen Geschlechts. Die meisten Passionsblumen sind zwittrig und besitzen beide Geschlechter in einer Blüte bei jeder Pflanze) Art P. tetrandra. Passiflora contracta hat vier statt gewöhnlich drei Narben (weibliches Fortpflanzungsorgan), die zygomorph (nur eine Symmetriebene besitzend d.h. die Narben der P. contracta sind zur einer Seite gekippt und nicht kreisrund ausgerichtet) - für die Bestäubung durch Fledermäuse - ausgerichtet sind. Passiflora ovalis besitzt einen ähnlich Blüteaufbau, bildet interessanter Weise zu Haftscheiben umgebildete Ranken aus.

Passiflora arbelaezii ist eine Pflanze mit sehr zierlichen Habitus (Aussehen der ganzen Pflanze). P. cirrhiflora und P. discophora bilden relativ große Blüten in der - bei den Passionsblumen seltenen - Farbe Gelb aus.

Eine weitere Untergattung ist die Untergattung Astrophea. Diese Untergattung beinhaltet Pflanzen, die nicht nur als Kletterpflanzen, sondern auch als Lianen und ganze Bäume wachsen. Passiflora arborea wird an ihrem Naturstandort ein mehrerer Meter hoher Baum mit wunderschönen weißen Blüten und gelben Strahlenkranz. Auch knalliges Orange (P. rusbyi) und Pink (P. amoena) sind als Blütenfarbe vertreten. Es ist nicht verwunderlich, dass viele Hobbyisten solche Pflanzen gerne ihr Eigen nennen wollen würden, aber nur die Hardcore-Hobbyisten unter den Hardcore-Hobbyisten schaffen es mit Mühe diese am Leben zu halten. Auch botanische Gärten haben es mit denen nicht einfach. Der botanische Garten Kew hat einige Astropheas. Ein Besuch bei denen und in den Niederlanden im Passiflorahoeve (mit leider nur wenigen Arten der Astropheas) ist für Astropheabegeisterte zu empfehlen.
Die in der Kultur mit Abstand einfachste und manchmal sogar in den Verkauf kommende Astrophea ist die kletternde P. pittieri. Gute Literatur zu dieser Untergattung ist die Arbeit von Rebecca Hilgenhof.